Text: Prof. Dr. Axel Plünnecke
Das Auslandsstudium aus Sicht der Wirtschaft
Professor Dr. Axel Plünnecke leitet am Institut der deutschen Wirtschaft Köln das Cluster Bildung, Innovation, Migration. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Themenfeldern «Hochschulbildung», «MINT», «Migration» und «Fachkräftebedarfe am Arbeitsmarkt». Aktuell führt er Untersuchungen zum Auslandsstudium durch.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. (IW) ist ein arbeitgebernahes Wirtschaftsforschungsinstitut, das von Verbänden und Unternehmen finanziert wird. 2023 beschäftigte das Institut 191 Mitarbeiter, der Etat betrug rund 28 Mio. Euro.
Quelle: https://www.iwkoeln.de/institut/geschaeftsberichte/iw-geschaeftsdaten-2023u2024.html
Was Unternehmen erwarten
In einer aktuellen Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft für den DAAD wurden Unternehmen gefragt, welche Themen und Trends in den kommenden 5 Jahren einen (eher) starken Einfluss auf sie haben werden. Am häufigsten wurde mit 69,6 Prozent der demografische Wandel/Fachkräftemangel genannt, gefolgt von Digitalisierung (61,9 Prozent) sowie Klima- und Umweltschutz, Energieversorgung und Versorgungssicherheit bei Rohstoffen und Ressourcen mit Zustimmungswerten von etwa 40 Prozent. Rund 15 Prozent führten Globalisierung und Export an.
Diese letzteren Aspekte sind besonders wichtig bei Unternehmen, die stark in die Weltmärkte integriert und für die internationale Geschäftsbeziehungen sehr relevant sind. Gerade in diesen Firmen sind auslandsbezogene Tätigkeiten für Beschäftigte äußerst verbreitet – so werden dort regelmäßig Auslandskontakte im Rahmen der täglichen Arbeit gepflegt und oftmals Fremdsprachen im Arbeitsalltag genutzt. Außerdem wird vermehrt in internationalen Teams zusammengearbeitet.
Anpassungsfähige Beschäftigte
Im Zuge der Transformation sind für Unternehmen vornehmlich Beschäftigte attraktiv, die proaktiv mit Veränderungen umgehen können. Schon in einer Erhebung des IW für den DAAD aus dem Jahr 2019 zeigte sich dies. Selbst wenn viele Firmen von Bewerberinnen und Bewerbern nicht explizit ein Auslandssemester oder -praktikum verlangen, so schätzen sie doch die Kompetenzen, die im Rahmen eines längeren Auslandsaufenthalts erworben werden. Dies galt und gilt für den Berufseinstieg wie auch für den Karriereweg im Unternehmen.
Neben fachlich-methodischem Wissen erwarten Arbeitgeber von akademischen Berufseinsteigern vor allem soziale und kommunikative Fähigkeiten. Die im Rahmen der Studie befragten Personalverantwortlichen wünschten sich kommunikationsstarke und selbstständige Problemlöser, die Offenheit für Neues, Flexibilität und Durchhaltevermögen zeigen.
Auch wenn ein studienbezogener Auslandsaufenthalt keine unabdingbare Voraussetzung ist, um Karriere zu machen, kann dieser doch zu zusätzlichen beruflichen Optionen führen. Denn die Kompetenzen, die Studierende im Ausland erwerben, sind in einer durch permanenten Veränderungsdruck und Unwägbarkeit geprägten Arbeitswelt gefragter denn je.
Gefragte Fähigkeiten
In der eingangs erwähnten Befragung bestätigen sich diese Befunde. Als Einstiegsmerkmal für Akademikerinnen und Akademiker sind hauptsächlich Berufserfahrungen wichtig. Die Note im Studium, die Studiendauer und ein Auslandsaufenthalt während des Studiums erachten Unternehmen als Merkmal in der Bewerbung hingegen als weniger relevant. Im Vergleich von Studiendauer und Auslandsaufenthalt präferieren sie den Auslandsaufenthalt.
Betrachtet man die gewünschten Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber aus Sicht der Unternehmen, zeigt sich aber ein zentraler Befund: Gewissenhaftigkeit/Effizienz, proaktives Handeln/Eigenständigkeit, Selbstständigkeit und Offenheit für Neues werden besonders häufig als sehr maßgebliche Fähigkeiten für den Berufseinstieg von Hochschulabsolventinnen und -absolventen genannt. Für Führungspositionen ist es höchst bedeutsam, sich auf unterschiedlichste Menschen/Charaktere einstellen und mit unklaren Situationen umgehen zu können.
Die Bedeutung eines Auslandsaufenthalts
In der aktuellen vom DAAD in Kooperation mit der FernUniversität in Hagen durchgeführten Studie «Campus International 2022» wird gezeigt, dass durch ein Auslandsstudium wichtige Kompetenzen gestärkt werden. So nimmt die selbstwahrgenommene Befähigung der im Ausland Studierenden zu, erforderliche Handlungen auszuführen und effizient zu bewältigen, Kontakte mit Personen mit anderem kulturellen Hintergrund konstruktiv zu gestalten und die Verantwortung für das Erreichen eigener Karriereziele zu übernehmen.
Das heißt konkret, dass es speziell die durch das Auslandsstudium gestärkten Fertigkeiten und Qualifikationen sind, denen Unternehmen vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Transformation eine hervorgehobene Rolle zuschreiben bei der Auswahl von Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Führungskräften. Dabei ist es nicht primär der Hochschulaufenthalt an sich, sondern es sind [LC1] die damit erworbenen Kompetenzen, die die Unternehmen besonders schätzen.
Der Beitrag von Erasmus+
Das Erasmus+ Programm unterstützt durch die Förderung des Auslandsaufenthalts damit den Erwerb dieser für den Transformationsprozess zentralen Befähigungen. Erasmus+ ist das größte Bildungs- und Mobilitätsprogramm der EU. Von 2014 bis 2020 ist die Anzahl der (bewilligten) geförderten Studierenden von rund 31.600 auf rund 54.500 gestiegen, die der geförderten Praktika im Ausland von 8.100 auf 8.200. Dazu ist eine Zunahme der Personalmobilität von Hochschulmitarbeitenden mit den Programmländern festzustellen. Unter den Teilnehmenden zeigt sich eine sehr hohe Zufriedenheit mit dem Programm.
Die durch Erasmus+ geförderte engere Vernetzung der Bildungslandschaft der EU sowie der internationale Austausch haben neben den Effekten auf die Kompetenzen und den Arbeitsmarktperspektiven der Studierenden eine weitere besondere Bedeutung. In der aktuellen Befragung wurden die Unternehmen um ihre Einschätzung gebeten, wie wichtig für sie verschiedene Aspekte der Internationalisierung sind. Als Antwortalternativen stand die Rekrutierung und Beschäftigung internationaler Fachkräfte, der Zugang zu internationalen Netzwerken, die Weltoffenheit der Region des Unternehmensstandorts und eine proeuropäische Haltung in der Gesellschaft zur Auswahl.
An die erste Stelle ordneten die Unternehmen die proeuropäische Haltung ein. Vor allem größere sowie innovative und digital fortschrittliche Firmen bewerten die proeuropäische Haltung als besonders wichtig. In verschiedenen Studien wird gezeigt, dass studienbezogene Auslandsaufenthalte die Sicht auf die EU positiv prägen, das gesellschaftliche Engagement und die europäische Identität erhöhen sowie die Identifikation mit europäischen Werten steigern. Durch das Erasmus-Programm und die internationale Mobilität können folglich die proeuropäische Haltung und Weltoffenheit gestärkt werden.
Die Rolle von Hochschulen im Transformationsprozess
Abschließend lässt sich festhalten, dass Hochschulen zentral für den Erfolg der Transformationsprozesse in Deutschland sind. Neben den Innovationsimpulsen in Richtung der Wirtschaft durch Wissenstransfer, Forschungskooperationen und der Förderung von Start-ups sowie der Sicherung des Fachkräfteangebots durch die Ausbildung von Studierenden und Weiterbildungsangeboten kommt ihnen bei der Internationalisierung eine wesentliche Aufgabe zu.
Ein wichtiger Impuls entsteht durch die Ausbildung internationaler Studierender, die nach dem Studium an einer deutschen Hochschule in Deutschland bleiben und zur Fachkräftesicherung beitragen. Wichtig ist es aber ebenso, den internationalen Austausch von Studierenden zu fördern und dadurch wesentliche Befähigungen und eine proeuropäische Haltung zu stärken.
Ein Plädoyer für internationalen Austausch
Da die finanzielle Belastung der Studierenden eine große Hürde für ein Auslandsstudium darstellt, sind Förderprogramme wie Erasmus von zentraler Bedeutung und sollten weiter gestärkt werden. Dazu sollten Hochschulen begleitende Netzwerke ausbauen und eine strategische Öffentlichkeitsarbeit durch Zusammenarbeit verschiedener Organisationseinheiten der Hochschule (Auslandsbüro, Orientierungsbüro, Alumni-Gruppen) intensivieren, um weitere Studierendengruppen stärker für eine Teilnahme an internationalen Austauschprogrammen zu gewinnen.
In der gemeinsam mit dem Institut für deutsche Wirtschaft erstellten DAAD Wirkungsstudie (2019) wird die Aufnahme von Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit studienbezogener Auslandserfahrung auf dem deutschen Arbeitsmarkt untersucht.
Die Volltextversion mit allen Grafiken und Literaturliste steht, ebenso wie die Kurzversion und 2 extrahierte zentrale Erkenntnisse, als PDF zum kostenlosen Download auf der Website der NA DAAD.
Professor Dr. Axel Plünnecke führt Untersuchungen zum Auslandsstudium durch.
Bedeutung studienbezogener Auslandserfahrungen für die Übernahme auslandsbezogener Tätigkeiten – Gesamt
Angaben in Prozent der Unternehmen, die Akademikerinnen und Akademiker beschäftigen oder dies planen und bei denen es die jeweilige Tätigkeit gibt.
Frage: «Haben Akademiker/-innen mit studienbezogenen Auslandserfahrungen gegenüber Akademiker/-innen ohne studienbezogene Auslandserfahrungen bessere Voraussetzungen, diese Tätigkeiten in Ihrem Unternehmen zu übernehmen?»