Text: Marcus Klein
Leuchttürme der Internationalisierung
«An der Veranstaltung nahmen Interessierte aus unterschiedlichen Bereichen teil: eine gute Mischung aus Programmverantwortlichen, Projektvertretenden und Absolvent:innen der Masterstudiengänge. Es war beeindruckend zu sehen, mit wie viel Engagement diese Kurse umgesetzt werden, welche vielfältigen Auswirkungen das Programm im Laufe der 20 Jahre auf Hochschulen, Individuen und Systeme hatte und wie sehr die Alumnae und Alumni ihre Teilnahme am Programm wertschätzen.»
Yvonne Schnocks, NA DAAD
«Jenseits von Grenzen und Abgrenzungen»
Beginnen wir aber vorerst einmal in der Stadt, in der vor mehr als 2 Jahrzehnten alles seinen Anfang genommen hat: in Brüssel. Dorthin hatte die Europäische Kommission die Erasmus-Mundus-Community Ende Mai 2024 zu einer 2-tägigen, teils hybrid durchgeführten Konferenz eingeladen. Unter dem Motto «Beyond Borders and Boundaries» diskutierten Alumnae und Alumni aus der ganzen Welt sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik – vornehmlich aus Europa – über die Errungenschaften und den Erfolg sowie die zukünftige Entwicklung der Programmlinie. 450 Personen waren vor Ort und über 500 online zugeschaltet.
Vorgestellt wurde außerdem eine umfangreiche Studie, in der unter anderem die Auswirkungen von Erasmus Mundus auf die beteiligten Hochschulen und Studierenden untersucht sowie Ideen für künftige Entwicklungen formuliert werden. Verantwortlich für den 140-seitigen auf Englisch verfassten und unter dem Titel Beyond Borders and Boundaries veröffentlichten Bericht ist die von der Academic Cooperation Association (ACA), vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und weiteren Partnern koordinierte Erasmus Mundus Support Initiative (EMSI).
Die zentrale Erkenntnis: Erasmus Mundus wirkt
Allein schon die von den Herausgeberinnen zusammengetragenen Zahlen zeichnen ein beeindruckendes Bild von der globalen Reichweite der Aktion: Bis 2023 wurden 585 Studiengänge bewilligt, an denen etwa 600 Hochschulen aus 140 Ländern beteiligt waren oder sind (allein 91 der mehrjährigen Masterkurse sind erst zwischen 2021 und 2023 genehmigt worden, also in den ersten 3 Jahren der aktuellen Programmgeneration). Im selben Zeitraum erhielten 34.000 Studierende aus 179 Ländern ein Stipendium und 111.000 Mobilitätsaufenthalte in Europa und darüber hinaus wurden realisiert.
Und wie sieht es mit dem Impact der 585 gemeinsamen Erasmus-Mundus-Studiengänge aus? In der Studie wird gezeigt, dass sich Wirkungen auf Hochschulen und Studierende beziehungsweise Alumnae und Alumni konstatieren lassen sowie auf nationaler, europäischer und gar globaler Ebene feststellbar sind. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Durch die Teilnahme an Erasmus Mundus werden Hochschulen für (internationale) Studierende attraktiver, während sich die Qualität der Lehre durch den Austausch verbessert und die Internationalisierung der Curricula vorangetrieben wird. Gleichzeitig erweitern und vertiefen Hochschulen dank der Aktion ihre internationalen Kooperationen.
Die positiven Effekte finden sich in der Regel auf Ebene der Fachbereiche, und dort vor allem bei kleineren Hochschulen, einschließlich Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs). An diesen ist laut der Untersuchung Erasmus Mundus die zentrale Maßnahme, um akademische Exzellenz zu erreichen und Internationalisierung zu fördern. Besonders profitieren davon Institutionen in koordinierender Rolle sowie Einrichtungen aus Partnerländern des Erasmus+ Programms.
Beispiele aus der deutschen Praxis
Blickt man auf Deutschland, so zeigten sich das große Interesse und die ausgesprochen erfolgreiche Teilnahme an der Aktion. Bislang gab es 255 Beteiligungen deutscher Hochschulen als Koordinatorin oder vollwertige Partnerin (full partner) an einem Erasmus-Mundus-Masterprogramm. Das bedeutet den 3. Platz hinter Frankreich (376) und Spanien (339), aber vor Italien (250) und Portugal (170). Wir haben 2 dieser deutschen Hochschulen für Sie näher betrachtet.
Das ist zum einen die Hochschule Anhalt, eine HAW mit knapp über 7.000 Studierenden (Wintersemester 2023/2024) und etwas mehr als 1.100 Mitarbeitenden an 3 Standorten (Köthen, Bernburg und Dessau) in Sachsen-Anhalt, zum anderen die Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RTPU). Sie ist Anfang 2023 durch eine Fusion des Campus Landau der Universität Koblenz-Landau und der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) entstanden. An der einzigen rheinland-pfälzischen TU sind an 2 Standorten – Kaiserslautern und Landau – gut 18.600 Studierende (Wintersemester 2023/2024) eingeschrieben und um die 2.600 Mitarbeitende beschäftigt.
Es handelt sich – das zeigen diese grundlegenden Informationen – um 2 sehr verschiedene Hochschulen. Unterschiede lassen sich zudem bei den Erasmus-Mundus-Studiengängen feststellen. Und doch spielen sie sowohl an der HS Anhalt als auch an der RPTU eine wichtige Rolle bei den Internationalisierungs- und Vernetzungsbestrebungen und sie haben wesentlich zur Erhöhung der Attraktivität gerade für internationale Studierende beigetragen. Sie sind an beiden Hochschulen zu einem festen Bestandteil geworden.
Wesentliche Befunde der Studie hat die NA DAAD übersichtlich in einem 2-seitigen Factsheet zusammengefasst, das von der Website der NA DAAD heruntergeladen werden kann.
Beispiel 1: Hochschule Anhalt
Erasmus-Mundus-Studiengänge an der HS Anhalt
Projekt | Laufzeit | Fachbereich | Rolle | Partnerinstitutionen |
European Master of Science in Food Science, Technology and Nutrition (SefoTech.Nut) | 2006–2016 | angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik; Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwick | vollwertige Partnerin | Katholieke Hogeschool Sint-Lieven (Koordination) (BE), Dublin Institute of Technology (IE), Universidade Católica Portuguesa (PT) |
European Master of Science in Food Science, Technology and Business (BiFTec) | 2015–2020 | angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik; Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwick | vollwertige Partnerin | Katholieke Universiteit Leuven (Koordination) (BE), Universidade Católica Portuguesa (PT) |
Master of Science in Sustainable Food Systems Engineering, Technology and Business (BiFTec-FOOD4S) | 2020–2026 | angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik; Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwick | vollwertige Partnerin | Katholieke Universiteit Leuven (Koordination) (BE), Universidade Católica Portuguesa (PT), University College Dublin (IE) |
Die HS Anhalt ist seit 2005 im Erasmus-Mundus-Programm aktiv, der erste Kurs startete im Wintersemester des folgenden Jahres. Seitdem wurden an der Hochschule in Kooperation mit Partnerinstitutionen in Belgien, Irland und Portugal 2 englischsprachige, fachbereichsübergreifende Masterstudiengänge mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen erfolgreich realisiert. Momentan – und das noch bis 2026 – wird ein weiterer Masterkurs angeboten, ebenfalls auf Englisch, wiederum in Zusammenarbeit mit denselben Hochschulen. Wie schon in den beiden anderen ist die HS Anhalt auch in diesem eine vollwertige Partnerin.
Unser erster Gesprächspartner ist Dr. Wolfram Schnäckel, einer der dienstältesten Professoren der im Oktober 1991 gegründeten sachsen-anhaltinischen Hochschule. Er arbeitet seit 1992 in Bernburg, wo unter anderem der agrarwirtschaftliche Bereich angesiedelt ist; über 30 Jahre war er Professor für Lebensmitteltechnologie, seit 2024 ist er Seniorprofessor. Beinahe 2 Jahrzehnte – zwischen 2006 und seiner Emeritierung im Herbst 2023 – war er führend in die Erasmus-Mundus-Masterprogramme involviert, anfänglich als stellvertretender und ab 2011 als hauptverantwortlicher Leiter. Wolfram Schnäckel ist mit Erasmus Mundus an seiner Hochschule bestens vertraut.
Erasmus Mundus als Chance
Der entscheidende Impuls für das erste Projekt kam, so erinnert sich Schnäckel, vor knapp 20 Jahren auf einem Netzwerktreffen mit europäischen Partnern. «Als Hochschule mit Studienkolleg am Standort Köthen hatten wir bereits einen beachtlichen Anteil an internationalen Studierenden in den deutschsprachigen Programmen. Historisch bedingt gab es enge Kooperationen mit Ostpartnern», so Schnäckel, der selbst in den 1980ern an der Hochschule für Lebens- und Genussmittelindustrie in Plovdiv (Bulgarien) promovierte. «Das neue Erasmus-Mundus-Programm eröffnete der Hochschule Anhalt aber eine Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand in Europa zu schauen, sich mit exzellenten Hochschulen zu vernetzen und gemeinsam einen englischsprachigen Studiengang zu entwickeln. Damit verbunden war die Hoffnung, ausgezeichnete Talente für ein Studium bei uns zu rekrutieren und somit einen Beitrag zur Fachkräftesicherung zu leisten. Diese Gelegenheit wollten wir auf jeden Fall wahrnehmen.»
Über die Kooperation mit der Katholieke Hogeschool Sint-Lieven in Gent, die später in die Katholieke Universiteit Leuven integriert wurde, erschloss sich für die HS Anhalt das Konsortium mit je einer Partnerinstitution in Irland und Portugal. Bis auf ein in der ersten Erasmus+ Programmgeneration (2014–2020) durchgeführtes Projekt, bei dem der irische Partner nicht mitmachte, haben diese 4 Einrichtungen stets zusammengearbeitet.
«Was sich über die Jahre geändert hat, war aber die Ausrichtung der Studiengänge», erläutert Schnäckel, der von Beginn an selbst als Lehrender an jeweils 2 Modulen mitwirkte und dies weiterhin tut. «Wir haben die Projekte immer gemeinsam weiterentwickelt. In den zweiten Kurs haben wir Aspekte von Ökonomie und Business aufgenommen, um den Bedarfen des Arbeitsmarkts und der Unternehmen in der Lebensmittelindustrie gerecht zu werden, in den seit 2020 laufenden Master dann aktuelle Fragen der Lebensmittelsicherheit und des Umweltschutzes mit Fokus auf Nachhaltigkeit.»
Die administrativen Herausforderungen und ihre Lösungen
Die dafür notwendigen Abstimmungsprozesse sind zeitaufwendig und erfordern einen intensiven Austausch, und zwar innerhalb der Hochschule – hier liegt die Verantwortung für die inhaltliche Koordination und Gestaltung beim sogenannten Admission Board unter Leitung des jeweiligen Studiengangverantwortlichen – wie zwischen den Partnerinstitutionen. «Durch die konstant enge Zusammenarbeit wachsen aber die Beziehungen zu den Partnern und das gegenseitige Vertrauen in die Verlässlichkeit und Qualität ist hoch. Daher sind Prozesse eingespielt», so Schnäckel.
Grundsätzlich ist Erasmus Mundus im Vergleich zu anderen Erasmus+ Förderlinien, wie Mobilitäten (Leitaktion 1) oder einigen Hochschulkooperationen (Leitaktion 2), jedoch komplex, wie Wolfram Schnäckel und Anne Beer, die Leiterin des International Offices der Hochschule, bestätigen. Beer, die im ingenieurwissenschaftlich geprägten Köthen arbeitet, rund 20 Kilometer von Bernburg entfernt, hebt in diesem Zusammenhang unter anderem die Vorbereitungsphase aller Anerkennungsprozesse und die Wiederbeantragungen des Studienprogramms hervor.
«Ein weiterer Punkt ist der hohe Anteil der Mobilitäten von internationalen Studierenden in sehr kurzen Zeitabständen. Das ist eine echte Herausforderung auch für das organisierende Personal», ergänzt die studierte Japanologin, die seit über 10 Jahren an der Spitze der Einheit steht. Unterkünfte müssen gefunden, mitunter aufenthaltsrechtliche Fragen geklärt werden. Dabei sind die Studiengangkoordination und das IO gefordert, selbst wenn die Hürden für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken sowie zur Absolvierung eines Praktikums mit der im Mai 2016 veröffentlichten REST-Richtlinie niedriger geworden und damit die notwendigen Anstrengungen gesunken seien, erläutert Beer.
«Als Fachhochschule und seit 1998 als Hochschule für angewandte Wissenschaften hatten wir aber das Glück, dass die EU-seitige administrative Arbeit weitestgehend durch die KU Leuven geleistet wird und wir von ihrer Expertise schon lange profitieren dürfen», führt Beer abschließend aus. Die KU ist die größte belgische Universität – mit über 65.600 Studierenden (im akademischen Jahr 2022/2023) und gut 23.600 Mitarbeitenden – und hat laut der eingangs erwähnten Studie Beyond Borders and Boundaries bereits 15 Masterprogramme koordiniert, was den 3. Platz bedeutet. Sie erstellt die Gesamtübersicht der Noten aller Kooperationspartnerinnen (zu Modulprüfungen, zu den eigens in den Studienablauf aufgenommenen Praktika und den Masterthesis) sowie für jede Studierende beziehungsweise jeden Studierenden den «Transcript of Records».
Die positiven Auswirkungen
Bleibt die abschließende Frage, was die Erasmus-Mundus-Studiengänge für die Studierenden, die Hochschule und die Lehrenden gebracht haben und ob die mit ihnen verbundenen Erwartungen erfüllt worden sind. Wolfram Schnäckel lässt daran keine Zweifel. «Für die Hochschule Anhalt bedeutet die hohe Attraktivität des Programms – aufgrund der damit verbundenen Stipendien und der Mittel für eine Programmbegleitung –, dass die besten Talente aus der ganzen Welt den Weg zu uns gefunden haben», betont er. «Seit 2006 haben beinahe 600 Studierende die Masterstudiengänge erfolgreich abgeschlossen, weniger als 1 Prozent hat das Studium abgebrochen. Diese Zahlen belegen die gute Auswahl der Kandidaten und die Qualität des Lehrkonzepts.» Einige der internationalen Studierenden sind nach ihrem Abschluss in Deutschland geblieben. Begünstigt wurde dies durch den studienbegleitenden Deutschunterricht.
«Als Gratiseffekt konnte die Hochschule den Aufbau englischsprachiger Programme erlernen und hat dies auch intensiv verfolgt, sodass wir mittlerweile 12 englischsprachige Programme anbieten und somit für die Internationalisierung breit aufgestellt sind», erklärt Schnäckel weiter. Gleichzeitig konnten die Konsortial- und assoziierten Partnerinnen (beispielsweise die Universität Malta, die Landwirtschaftliche Universität Hugo Kołłątaj in Krakau und die Universität Zagreb) für den Austausch innerhalb des Erasmus-Programms gewonnen werden. Pro Jahr kommen circa 15 Studierende dieser Hochschulen nach Bernburg, Köthen und Dessau, um zum Beispiel Kurse in Biotechnologie, Pharmatechnologie, Molekularbiologie oder Denkmalpflege zu besuchen. «Insgesamt», so Schnäckel, «ist das innereuropäische Netzwerk größer und stabiler für die Mobilität von Lehrenden der Hochschule Anhalt geworden.»
Schließlich haben sich durch Erasmus Mundus für Wolfram Schnäckel und seine Kolleginnen und Kollegen an der Hochschule als weitere indirekte Folge interessante Kooperationen für wissenschaftliche Vorhaben und Industrieprojekte – in Ecuador, den Niederlanden, Albanien – oder die Einwerbung von Mitteln im Rahmen einer deutsch-chinesischen Kooperation im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft eröffnet. «Aufgrund des erfolgreichen Eintritts der Alumni in die deutsche, aber auch internationale Lebensmittelindustrie sind ich und andere immer nur einen Anruf von spannenden Projekten oder interessanten Ideen entfernt», sagt Schnäckel.
Ein Blick nach vorne
Mit seinem Übergang in den Ruhestand im Herbst 2023 hat Wolfram Schnäckel die Studiengangleitung an seinen Kollegen Professor Dr. Tim Reuter übergeben. Ganz zurückgezogen hat er sich indes noch nicht. «Bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist, werde ich weiterhin als Lehrender in unserem Erasmus-Mundus-Studiengang mitwirken. Die Arbeit mit jungen Menschen aus der ganzen Welt macht Spaß. Vor allem weitet sie selbst im Alter immer wieder den Horizont, wenn man getreu dem Motto von Carl Friedrich Gauß agiert: ‹Es gilt die Erfahrung und das Wissen der älteren Generation mit der Kreativität und Neugier der Jungen zu verbinden.›»
«This master’s programme will have had had a tremendous impact on my career. The knowledge acquired, the languages I am learning, and the multicultural environment (we were 49 students from 22 countries in my cohort) are invaluable. The advanced modules and high-tech laboratories at the different universities have enhanced my skills in chemistry, microbiology, and data analysis. The overall experience has prepared me to contribute effectively to the sustainable development of Colombia’s food systems and opens new career opportunities in international food industries.»
Daniela Latorre Castaño, BiFTec-FOOD4S-Absolventin (2022–2024) aus Kolumbien
Beispiel 2: Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Erasmus-Mundus-Studiengänge an der TU Kaiserslautern beziehungsweise der RPTU
Projekt | Laufzeit | Fachbereich | Rolle | Partnerinstitutionen |
European School for Industrial Mathematics (ESIM) | 2005–2013 | Mathematik | vollwertige Partnerin | Technische Universiteit Eindhoven (Koordination) (NL), Johannes Kepler Universität Linz (AT) |
European Masters Programme in Software Engineering (EMSE) | 2015–2020 | Informatik | vollwertige Partnerin | Freie Universität Bozen (Koordination) (IT), Oulun yliopisto (FI), Universidad Politécnica de Madrid (ES) |
European Master in Embedded Computing Systems (EMECS) | 2009–2026 | Elektro- und Informationstechnik | Koordinatorin | Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet (NO), University of Southampton (UK), Politecnico di Torino (IT) (2020–2026) |
QuanTEEM – Quantum Technologies and Engineering Erasmus Mundus Master | 2022–2027 | Physik | vollwertige Partnerin | Université Bourgogne – Franche-Comté (Koordination) (FR), Aarhus Universitet (DK) |
Die RPTU besteht offiziell erst seit Januar 2023, dank der Technischen Universität Kaiserslautern hat sie jedoch eine lange Erasmus-Mundus-Tradition. Bereits 2005 startete an der TUK im Fachbereich «Mathematik» der erste Kurs, der schließlich bis 2013 lief.
Mit Erasmus+ wuchs die Zahl der Projekte sowie der Kooperationspartnerinnen und neue Fachbereiche – Informatik, Elektro- und Informationstechnik sowie Physik – kamen hinzu. Zurzeit ist die RPTU an 2 Erasmus-Mundus-Masterstudiengängen beteiligt, einen koordiniert sie.
Wir haben bei Dr. Parya Memar nachgefragt. Sie leitet das Referat Internationale Angelegenheiten der RPTU, ein Amt, das sie mit der Fusion der TUK mit dem Campus Landau der Universität Koblenz-Landau übernommen hat. Zuvor führte sie die zentrale wissenschaftliche Einrichtung der TU Kaiserslautern, die International School for Graduate Studies (ISGS) (2008–2013), und die Abteilung Internationale Angelegenheit: ISGS (2014–2022). In diesen Positionen hat sie 4 Erasmus-Mundus-Projekte begleitet, 2 von der Vorbereitung über die Antragstellung bis hin zur Implementierung. Seit 2020 ist Memar zudem die administrative Koordinatorin des QuanTEEM-Masters.
Internationalisierung als Weg und Ziel
«Das Interesse der TUK und jetzt der RPTU an Erasmus Mundus muss im Kontext unserer Internationalisierungsbestrebungen gesehen werden», stellt Parya Memar eingangs fest. «Doppelabschlüsse und internationale Abschlüsse in Kooperation mit mehreren Partnern sind ein Bestandteil unseres Internationalisierungskonzepts und ein aktuelles Qualitätsmerkmal für Universitäten weltweit. Hochschulen werden dadurch attraktiver für internationale Zielgruppen, nicht zuletzt Studierende, denen zusätzliche Angebote unterbreitet werden können. Erasmus Mundus eröffnet genau diese Möglichkeiten», so Memar, die auf dem im Süden von Kaiserslautern gelegenen Universitätscampus ihr Büro hat.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass unter anderem die für Internationales zuständige Abteilung an der ehemaligen TUK, die in den beiden abgeschlossenen sowie den 2 noch laufenden Erasmus-Mundus-Studiengängen ursprünglich Konsortialpartnerin war, Fachbereiche sowie mögliche Programmkoordinatorinnen und -koordinatoren zur Beteiligung an den Ausschreibungen aufforderte. Zur gleichen Zeit – und auch das betont die gebürtige Iranerin – haben «ausländische Hochschulen mit uns Kontakt aufgenommen. Das heißt, wir waren aktiv, andere Institutionen sind aber gleichfalls auf uns zugegangen.»
Im Ergebnis sind über die unterschiedlichen Phasen seit 2005 bislang 4 Erasmus-Mundus-Masterstudiengänge entstanden, die teils über mehrere Programmgenerationen weiterentwickelt wurden. Hervorzuheben ist außerdem, dass diese in 4 verschiedenen Fachbereichen umgesetzt werden beziehungsweise wurden und dass die Partnerinstitutionen jeweils aus anderen europäischen Ländern kamen respektive kommen. In Summe waren beziehungsweise sind daran 10 Hochschulen aus genauso vielen Staaten beteiligt (gewesen).
Ein herausragendes Studienprogramm
Auf die Frage, was denn die Studiengänge gebracht haben – für Studierende, Lehrende und die Hochschulen (TUK und RPTU) als Institutionen –, gibt Parya Memar anhand von EMECS und QuanTEEM, den beiden derzeit angebotenen Masterprogrammen, konkrete Beispiele. So sei durch den im Fachbereich «Elektro- und Informationstechnik» angesiedelten und von der RPTU koordinierten EMECS «eine erhebliche Anzahl an sehr guten Bewerbungen für reguläre Programme des Fachbereichs generiert worden. Sogar Bewerber auf der Warteliste konnten Studienplätze in regulären Programmen erhalten und nahmen diese teilweise an». Gleichzeitig sei es «durch interdisziplinäre und fachübergreifende Aktivitäten» zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit der norwegischen und der britischen Partneruniversität gekommen. «Dies zeigt sich in Gruppenbesuchen von administrativen Mitarbeitenden und gegenseitigen Aufenthalten von Lehrenden und Forschenden.»
Dank des QuanTEEM-Programms des Fachbereichs «Physik» konnte indes die Kooperation mit der für die Koordination verantwortlichen französischen Universität auf andere Gebiete ausgedehnt werden, beispielsweise Chemie und Informatik. Wie im Falle der anderen Projekte sei es außerdem als Folge dieses Erasmus-Mundus-Studiengangs zu vermehrten Mobilitäten von Studierenden, Promovierenden und Lehrenden gekommen. Weitere positive Nebeneffekte seien neue Forschungskollaborationen und sogenannte Sandwich-PhDs, das heißt Doktorandinnen und Doktoranden, die an der RPTU und mindestens einer weiteren Partnerhochschule immatrikuliert sind.
Grundsätzlich, so die an der TUK promovierte Architekturtheoretikerin und -historikerin abschließend zu diesem Themenkreis, sei die Teilnahme an einem Erasmus-Mundus-Masterstudiengang ein Qualitätsmerkmal. «Die Beteiligung an einem solchen Programm ist ein hervorragender, international weithin anerkannter Nachweis für eine Hochschule und den jeweils beteiligten Fachbereich. Es belegt die hohen Standards in Lehre und Forschung, stärkt das Renommee und trägt erheblich zur internationalen Sichtbarkeit und Attraktivität bei». Darüber hinaus könne sich eine Hochschule wie die RPTU bei «spezialisierten Programmen international stärker positionieren und profilieren».
Eine Aktion mit erhöhtem Arbeitsaufwand
Die vielfältigen Wirkungen der Projekte auf und in der Hochschule sowie darüber hinaus, beispielsweise die erweiterten Kooperationen mit der Industrie, wodurch sich unter anderem für Absolventinnen und Absolventen neue Karrieremöglichkeiten eröffnen, sind unbestritten, der administrative Aufwand ist es aber ebenfalls. «Erasmus Mundus ist zeitaufwendig und komplex», konstatiert Memar. «Es handelt sich um ein anspruchsvolles und engmaschiges gemeinsames Programm mit diversesten internationalen Beteiligten und erfordert fortlaufende Koordination mit mehreren Universitäten und deren übergeordneten Organisationen.» Dies betreffe sowohl kleine Details wie die Gestaltung und Formatierung von Transkripten als auch unterschiedliche Vorgehensweisen und Praktiken beim Datenschutz oder Prüfungszeiten aufgrund der verschiedenen akademischen Kalender.
Überdies müsse das Programm in jeder Phase – von der Zulassung und Einschreibung bis hin zur Modulgestaltung – den Vorgaben aller beteiligten nationalen Instanzen entsprechen, erklärt Memar weiter. Da diese Schritte bei regulären Programmen oftmalig entfielen, würden sie manchmal bei der Kapazitätsberechnung übersehen. Zudem fehlten häufig die Zuständigkeiten oder diese müssen zusätzlich zu anderen Aufgaben organisiert werden. «Deshalb ist es umso wichtiger, von Beginn an für die akademischen wie die organisatorischen Belange im Vorfeld Tätigkeitsfelder zuzuweisen und Kapazitäten freizumachen», sagt Memar. «Durch diese intensive Zusammenarbeit und den hohen Qualitätsstandard wird die exzellente Umsetzung und Anerkennung eines Projekts gewährleistet und ein echtes gemeinsames Programm gestaltet.»
Institutionelle Verantwortlichkeiten
Verantwortlich für die Administration ist das von Memar geleitete Referat Internationale Angelegenheiten gemeinsam mit einer Koordinationsperson des Fachbereichs. Die strategische Zuständigkeit liegt hingegen bei der wissenschaftlichen Direktion, die üblicherweise vom Lehrstuhlinhaber oder von der Lehrstuhlinhaberin und einem Professor oder einer Professorin wahrgenommen wird.
«Die Aufgabenbereiche blieben bislang weitgehend konstant», führt Memar aus. «Eine größere Fluktuation gibt es lediglich bei der der wissenschaftlichen Direktion untergeordneten Position im Fachbereich. Dies liegt daran, dass das Personal im Mittelbau oft nur befristet beschäftigt ist.» Der Umfang der zugewiesenen personellen Ressourcen habe sich dagegen als sehr dynamisch erwiesen. Zu Beginn sei er in der Regel höher gewesen, habe zwischenzeitlich abgenommen und sei aktuell bei den beiden laufenden Programmen angemessen. Die Herausforderung dabei sei, dass «sie in der Regel aus den eigenen Mitteln der Universität gedeckt werden müssen, da die Studiengebühren der Partneruniversitäten oftmals aus den Overhead-Mitteln finanziert werden und selten für Personalverstärkungen verwendet werden können.»
Ein kurzer Ausblick
Angesichts der Bedeutung und des Erfolgs von Erasmus Mundus in Kaiserslautern sollte es keinesfalls überraschen, dass Parya Memar die Initiierung weiterer Studiengänge als empfehlenswert erachtet, insbesondere in Fachbereichen wie Biologie, Psychologie, Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Bauingenieurwesen, Wirtschaftswissenschaften sowie Raum- und Umweltplanung. Dort, so die Leiterin des Referats Internationale Angelegenheiten, «besteht dafür erhebliches Potenzial».
Dabei soll es aber nicht bleiben. Das Präsidium der RPTU hat die Schaffung eines Exzellenznetzwerks mit einigen auserwählten europäischen Universitäten angeregt. Dieses Vorhaben bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, Erasmus Mundus als integralen Bestandteil zu implementieren und damit die internationale Zusammenarbeit und den wissenschaftlichen Austausch weiter zu intensivieren.
Marcus Klein
«After 14 years of EMECS we draw a very positive conclusion. The collaboration among partner universities has established a strong branding for Embedded Computing Systems, attracting nearly 1500 applications for EMECS every year. Our regular master programs have also benefited. Many students are initially drawn to our institutions through EMECS but then discover that one of our other graduate programs may serve their needs even better.
Erasmus Mundus and EMECS have quickly become selling points with our industrial partners. Employers greatly appreciate that EMECS students gain diverse experience within the different academic and industrial ecosystems linked to our partner universities, resulting in an employment rate of nearly 100 percent.
Our universities have developed joint teaching activities that include the mobility of teachers. This collaboration has not only led to new educational offerings but also fostered a deeper understanding of each other’s teaching practices. It continues to inspire fruitful discussions on our curricula and drives their further development.»
Professor Dr.-Ing. Wolfgang Kunz, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik, General Coordinator EMECS