Poznan, Frankfurt (Oder) und Istanbul

Ein Auslandsstudium mit Erasmus in Polen als Beginn einer internationalen Karriere
Lesezeit: 4 min

Text: Moritz Botts

Moritz Botts war während seines Studiums mit Erasmus in Polen. Von dort ging es für ihn – mit einer Zwischenstation in Frankfurt (Oder) – nach Istanbul, wo er heute als DAAD-Langzeitdozent an der Türkisch-Deutschen Universität lehrt und Erasmus-Beauftragter der Abteilung BWL ist. Seinen Studierenden empfiehlt er, das Bildungsprogramm zu nutzen und «möglichst früh ins Ausland zu gehen, da sie so nicht nur ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern, sondern gleichfalls reiche Erfahrungen für ihr späteres Studium und Berufsleben erlangen».

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Dr. Moritz Botts ist seit Februar 2022 als DAAD-Langzeitdozent im Fach «Marketing» an der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul. Während seiner Lehrtätigkeit in Deutschland hatte er einen Lehrauftrag an der German Jordanian University und war als interkultureller Trainer tätig.

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Moritz Botts absolvierte sein Erasmus-Auslandssemester an der Wirtschaftsuniversität Poznan in Polen.

Nach Ende meines Grundstudiums der Wirtschaftswissenschaften 2003 hatte ich Anfang 2005 meine Schwerpunktfächer entdeckt – internationales Marketing und Management – und wollte nun noch für ein Semester ins Ausland. Unter den Partnerhochschulen gab es einige Plätze in Westeuropa, bei denen ich aber entweder die Unterrichtssprache nicht beherrschte oder die ich schon zu Schulzeiten ausgiebig besucht hatte. An der Wirtschaftsuniversität in Poznan entdeckte ich dann englischsprachige Kurse, die genau zu meinem Studienprofil passten.

Zum Studium nach Polen

Einen Monat lang besuchte ich einen Erasmus-geförderten Sprachintensivkurs in Lublin, im Osten des Landes. Schnell entwickelte ich mich zum Fan der mittel- und osteuropäischen Kultur, womit rasch klar wurde, dass ich in der Wissenschaft bleiben wollte, um meine Studien weiter zu vertiefen. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei all meinen Kommiliton*innen in Deutschland entschuldigen, denen ich später damit auf die Nerven ging.

In Polen lebte es sich ziemlich ähnlich wie in Deutschland. Nach meiner Erfahrung ist der größte Unterschied neben der Sprache die Art der Kommunikation. So ist es in Polen üblich, dass man Dinge indirekter – mehr durch die Blume – ausdrückt als in Deutschland. Durch diesen und andere kulturelle Unterschiede habe ich mich aber gleichermaßen selbst sehr verändert. Ich lernte, mehr mit Unsicherheiten umzugehen, weil eben vieles doch ein klein wenig anders und nicht immer für mich verständlich war. Auch wurde ich durch mein Leben im Ausland abenteuerlustiger, als ich es vorher gewesen war.

Mich zog es dann immer wieder nach Polen, sodass ich meine Promotion im Fach «Internationales Management» an der polnisch-deutschen Grenze in Frankfurt (Oder) durchführte. Mein Promotionsthema handelte sogar von den Einflüssen von Auslandserfahrungen auf angehende Manager*innen!

Teilnehmendenzufriedenheit bei Studienmobilität zu Studienzwecken (alle Cluster)

Angaben für 2020 in Prozent, N = 232.230

Quelle: Vorabpräsentation Analyse der Mobilitätsdaten 2014-2020 […], NA DAAD 2024, Folie 15 

Nächste Destination Türkei

Durch verschiedene Umstände bekam ich während dieser Zeit einen Lehrauftrag an der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul, und 2022 entschieden meine Frau und ich, für mehrere Jahre an den Bosporus zu gehen. Da unsere Tochter zu dem Zeitpunkt noch nicht in der Schule war, passte das ebenso in unsere Lebensplanung. Nun unterrichte ich Marketing in deutscher Sprache im Bachelor und auf Englisch im berufsbegleitenden Master und im Promovierendenprogramm.

Zudem bin ich inzwischen Erasmus-Beauftragter des Fachs BWL. Allen meinen Studierenden rate ich, möglichst früh ins Ausland zu gehen, da sie so nicht nur ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern, sondern gleichfalls reiche Erfahrungen für ihr späteres Studium und Berufsleben erlangen. Es ist eben ein Unterschied, ob man in einem Deutschkurs etwas über die typisch deutsche Selbstorganisation im Studium hört oder selbst einmal vor dem Problem steht, sich einen sehr freien Stundenplan zusammenstellen zu müssen.

Zur Bedeutung von Erasmus für Studium und Beruf

Was Erasmus angeht, muss man beachten, dass sich Polen anfangs in einer ähnlichen Situation befand wie die Türkei jetzt – nämlich als EU-Beitrittskandidat. Auch war Polen 2005 noch nicht im Schengen-Raum. Damit war damals für polnische Studierende und heute für türkische Studierende das Erasmus-Programm eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt im Ausland zu studieren. 

Bei der polnischen Gesellschaft gab es nach 1990 eine klare Westorientierung. In der Türkei ist das vielleicht ambivalenter. An der Türkisch-Deutschen Universität gibt es jedoch dadurch, dass die Unterrichtssprache Deutsch ist und die Kooperationen hauptsächlich mit deutschen Hochschulen bestehen, eine klare Ausrichtung nach Deutschland.

Das Erasmus-Programm ist dabei natürlich eine gewaltige Erleichterung für die Mobilität. Beliebte Hochschulstandorte sprechen sich unter Studierenden he­rum, sodass mir immer seltener Fragen wie «Münster oder Würzburg?» gestellt werden. Eine Herausforderung für türkische Studierende ist die Organisation des Studiums, da Hochschulen in der Türkei meist verschulter als in Deutschland sind. Aber auch das ist eine wertvolle Erfahrung für das spätere Arbeitsleben, vor allem wenn man in internationalen Firmen oder Organisationen arbeitet. 

Moritz Botts war mit Erasmus 2005/2006 in Polen.